Rondo Veneziano - Venezia 2000

Als an klassischer Musik geschulter Hörer fragt man sich, worin für das ungeübte Ohr eigentlich die Faszination der CDs von Rondo‘ Veneziano besteht. Offensichtlich werden für die seltsam charakterlosen Nummern, die Fantasienamen wie "Notte amalfitana" oder "Aria di festa" tragen, Versatzstücke und Motive vor allem aus der Barockmusik verwendet und zusammengestückelt. Der Sound der konventionellen Streichinstrumente und der oft hinzutretenden Oboe wird im Studio soweit verfremdet, daß er zwar noch an klassisches Instrumentarium erinnert, aber gleichzeitig schon in die Nähe der Popmusik rückt. Diesen Effekt unterstützt das meistens beteiligte Schlagzeug, welches aber in ausgesprochen einfallsloser Art und Weise eingesetzt wird, so daß etwa ein Freund guter Popmusik sich angesichts solchen Getrommels nur ein müdes Lächeln abringen könnte. Weitere der Barockmusik entlehnte Prinzipien sind der starke motorische Aspekt, hier unterstützt durch das Schlagzeug, und die Neigung zu Sequenzen. Außerdem entsteht durch den imitatorischen Einsatz verschiedener Instrumentalgruppen so etwas wie ein barockes Konzertieren. Ferner ist im Hintergrund oft ein – wahrscheinlich synthetisch erzeugter – Cembaloklang zu hören. Das zweite Stück der CD, mit "Serenissima" betitelt, entfaltet sich über einem Lamentobaß, der unvollständigerweise nur bis zur Unterterz, nicht bis zur Quart absteigt. Auch werden auf dieser Basis keine Variationen exponiert, sondern ein redundantes Motiv erzeugt durch seine stetige Wiederkehr eine Spannung, die zu einer plötzlichen Modulation führt. Bei so viel barocken Elementen scheint der Weg zu echter Barockmusik für den suchenden Kunden nicht allzu weit zu sein. Scheitern unerfahrene Hörer an der Frage, wie sie gezielt nach der Musik suchen sollen, die ihnen vorschwebt? Ist ein echtes Vivaldi-Konzert soviel anstrengender zu hören, daß es diesen Hörern nicht gefällt? Verändern die billigen elektronischen Effekte den Klang der Instrumente so, daß er einem breiteren Publikum entgegenkommt? Was im Einzelnen hinter dem Erfolgsgeheimnis von kommerziellen Projekten wie Rondo‘ Veneziano steckt, bleibt schwer durchschaubar. Es drängt sich lediglich das Gefühl auf, daß eine allzu elitäre klassische Kultur manchen Hörer auf der Strecke gelassen hat, dessen Bedürfnisse eigentlich gar nicht so weit von wertvoller musikalischer Literatur entfernt sind. --Michael Wersin

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